Bücherlesung mit der Herausgeberin Ulrike Siegel
Ulrike Siegel, Jahrgang 1961, wuchs auf einem Bauernhof in Brackenheim / Baden-Württemberg auf und arbeitete nach dem Schulabschluss auch ein Jahrzehnt auf dem elterlichen Hof. Während dieser Zeit hat sie zwei Meistertitel in Landwirtschaft sowie in ländlicher Hauswirtschaft erworben. Nach familiären Veränderungen studierte sie an der Fachhochschule Nürtingen Agrarwissenschaften. Es folgten mehrere Auslandsaufenthalte in Lateinamerika, Afrika und Indien. Doch die Autorin kehrte immer wieder zu ihren Wurzeln zurück. Von 2003 bis 2015 war sie Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg e.V. Für ihre vielfältigen Verdienste rund um die Menschen und ihre Höfe wurde Ulrike Siegel 2010 der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Sie erzählte uns davon, wie sie auf die Idee kam, angeregt durch ihre Erinnerungen an die eigene Kindheit, Geschichten über das Leben auf Bauernhöfen zu sammeln. In zehn Bücher mit ungefähr 200 Geschichten zeichnete sie ein Porträt vom Leben auf den Höfen und den Veränderungen in den Dörfern realistisch und ohne Weichzeichner.
Vorgelesen hat sie einige Geschichten aus der Bauerntöchter-Reihe. Geschildert wird das Leben in den 60er Jahren aus Kindersicht und aus der Perspektive der Erwachsenen. Später hat sie mit den Beiträgen der gleichen Frauen in „Einen Hof verlässt man niemals ganz“ deren Sicht zehn Jahre aufgezeigt.
Ulrike Siegel hat nicht nur vorgelesen sondern auch Stellung bezogen, kommentiert und analysiert. Allen Frauen, die ihre Geschichte erzählt haben, sei gemeinsam, dass sie ihre Kindheit als schön und hart erlebt haben. Ob mehr schön oder mehr hart hänge von vier Faktoren ab. An erster Stelle von der Geschwisterfolge: die Ältesten hatten es am schwersten. Es spielte eine Rolle, ob Großeltern auf dem Hof lebten. Denn diese hatten Zeit für die Kinder und nahmen einen Teil der Arbeit ab. Gab es in der Familie einen oder mehrere Jungen, hatten es die Mädchen leichter. Denn die Erwartungen richteten sich an den Bruder als Hoferben. Die Mütter wollten, dass es die eigenen Töchter einmal leichter hätten, die Schwiegertöchter aber möglichst „gscheit schaffen“ sollten. Auch die Größe des Hofes und die Bewirtschaftung spielte eine Rolle. Die ideale Bauernfamilie hatte Milchvieh mit Großeltern. Am härtesten war es in Sonderbetrieben mit Milchvieh ohne Oma und Opa.
In den Geschichten würde nicht mit der Vergangenheit oder den Eltern abgerechnet sagte Frau Siegel, es würde lediglich aufgezeigt, wie es war. Die Mutter einer der Frauen bestätigte, nachdem sie die Geschichte der Tochter gelesen hatte, die ihre Kindheit als hart schilderte, „Genauso war es, aber die Zeiten waren so.“
Ulrike Siegel machte deutlich, wie Bauernfamilien in den 60er Jahren wahr genommen wurden und wie sich die Familien selbst wahr genommen haben: die Kinder sollten „etwas Besseres“ werden und nicht Bäuerin oder Bauer.
Ihre vorgetragenen Geschichten haben neugierig gemacht auf weitere Geschichten, die sie gesammelt hat.
Weitere Infos zu Ulrike Siegel und ihren Büchern finden Sie hier: https://ulrike-siegel.de/